„Ohne Wasser stirbt der Putzarer See“
Positionstag des ehrenamtlichen Naturschutzes 10.05.2025 im Bürgerhaus in Putzar Entschließung
Unter den tausenden Seen unseres Landes gehört der Putzarer See im Landkreis Vorpommern- Greifswald potentiell zu den nährstoffreichen Klarwasser-Flachseen. Diese Seen - eigentlich die „Herzkammern der Artenvielfalt“ - zählen heute zu den am meisten gefährdeten Gewässern. Von einst Hunderten haben infolge einer langen Geschichte von Trockenlegungen weniger als ein Dutzend überlebt! Abgesehen vom Galenbecker See sind alle anderen in einem äußerst kritischen Erhaltungszustand. Akut bedroht ist die Existenz des Putzarer Sees.
Der Putzarer See ist nicht nur seit Jahrzehnten ein Naturschutzgebiet, sondern zugleich durch die Europäische Vogelschutzrichtlinie (SPA), die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH/GGB) sowie die Ramsar-Konvention zur Erhaltung der Feuchtgebiete geschützt.
Am 10.05.2025 haben sich rund 120 Teilnehmer auf dem Positionstag des ehrenamtlichen Naturschutzes mit dem hydrologisch-ökologischen Zustand dieses Sees und den Möglichkeiten seiner Erhaltung beschäftigt. Referiert wurde dazu von sechs Experten der Limnologie, Hydrologie, Meteorologie, Standortkunde, Melioration und Ornitho-Ökologie.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass der See unter den jetzigen hydrologischen Bedingungen nicht überlebensfähig ist. Die Hauptursachen dafür sind die Entwässerung des Einzugsgebietes, mit der die Grundwasserneubildung vermindert und der Grundwasserstand abgesenkt wurden. Des Weiteren wurde der See in den 1930er Jahren durch die Umverlegung des Landgrabens von seinem oberirdischen Einzugsgebiet abgekoppelt. Seitdem wird der Wasserhaushalt durch Niederschlag und Verdunstung dominiert. Unter dem Einfluss der klimatischen Entwicklungen der jüngeren Geschichte kann der geringe Grundwasserzufluss die Verdunstungsverluste nicht mehr ausgleichen. Die Folgen sind sinkende Seepegel, schnellere Erwärmung, erhöhte Bioproduktivität, größere Sedimentationsraten – Effekte, die sich alle zusammen mit intensivierten Rückkopplungen aufschaukeln und den im Zuge des Klimawandels bereits beobachtbaren allgemeinen Trend der Gewässererwärmung weiter verstärken.
Eine wirksame Möglichkeit, diese zerstörerischen Spiralen zu unterbrechen, zu mindern und den See zu retten, ist die Rückverlegung des Landgrabens durch den See und damit die Wiederherstellung des ursprünglichen oberirdischen Einzugsgebietes. Das hätte positive Konsequenzen für den Landschaftswasserhaushalt, die Trophie des Sees sowie die Gewässergüte und die Durchgängigkeit im Fließgewässersystem des Landgrabens – alles Forderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie.
Eine Wiederherstellung des Durchflusses hätte zu keiner Seite negative Konsequenzen – nicht für die Landnutzung und nicht für die Kommunen. Vielmehr ist mit einem größeren Puffervermögen des Systems zu rechnen.
Stirbt der See, so ist das genaue Gegenteil zu erwarten. Die Folgen sind dramatisch, das Tempo des Niedergangs atemberaubend. Der Seegrund wird weiter verlanden. Die damit einhergehende Vegetations-Sukzession wird die Verdunstungsraten drastisch erhöhen und das Defizit in der klimatischen Wasserbilanz des Sees verstärken. Zudem ist mit einer erhöhten Freisetzung klimarelevanter Gase zu rechnen. Hinzu kommt das Verschwinden mehrerer Pflanzenarten, die z. T. nach Anhängen der FFH-Richtlinie geschützt sind und deren Vorkommen am Putzarer See zu den letzten des Landes zählen.
Die vortragenden Experten konnten überzeugend darlegen, dass es aufgrund der geomorphologischen, landschaftsökologischen, meteorologischen, hydro-geologischen und meliorativen Verhältnisse bei einem Durchflusssystem keinesfalls zu Beeinträchtigungen der Vorflut und der landschaftlichen Wasserbilanz kommen würde, die über das bereits gegebene Maß hinausgehen. Im Vergleich zum Status quo wird bei einem Durchflusssystem kein Tropfen Wasser verloren gehen. In den Gesprächen am Rande des Positionstags wurde deutlich, dass dazu bei den Behörden andere Meinungen bestehen. Angesichts dessen bitten wir die Landesregierung um eine einfache Antwort auf eine einfache Frage:
Worauf gründet die Auffassung, dass eine mögliche Rückverlegung (!) des Landgrabens durch den Putzarer See das Wasserdargebot für die Unterlieger, u. a. die Friedländer Große Wiese, beeinträchtigt?
Sollten für diese Auffassung keine belastbaren Gründe bestehen, fordern wir von der Landesregierung die Aufnahme einer entsprechenden Genehmigungsplanung und ein, dem wenig aufwendigen Lösungsansatz angemessenes, zügiges Genehmigungsverfahren.
Seit einem halben Jahrhundert (!) sind mindestens viermal die von Behörden aufgelegten Planungen zur Verbesserung des Wasserhaushaltes des Sees an ihren eigenen Widersprüchen gescheitert. Deshalb fordern wir jetzt rasche Rettungsmaßnahmen ein. Es geht um konkrete Taten, zumal es sich bei einer Rückverlegung des Landgrabens durch den See um eine vergleichsweise einfache, billige und technisch wenig anspruchsvolle Lösung handelt, die die Gratiskräfte der Natur nutzt. In diesem Zusammenhang erwarten wir Aufschluss darüber, warum der Erhaltungszustand des Sees im FFH-Managementplan mit „gut“ bewertet wurde und im Steckbrief zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie trotz des de facto unbefriedigenden ökologischen Zustandes keine Verbesserungsmaßnahmen ausgewiesen wurden.
In den vorgetragenen Positionen können wir nur gesamtgesellschaftliche Vorteile und keine nachteiligen Wirkungen erkennen. Wir geben zu bedenken, dass hier die Existenz eines Gebietes zur Debatte steht, das nicht nur viele Schutzkategorien, sondern auch ein hohes Maß an heimatlicher Identifikation besitzt. Durch die jahrzehntelange Arbeit der staatlichen Naturschutzstation „Putzarer See“ unter Leitung von Christian Scharnweber († 2023) wurden die Natur Vorpommerns und die Bemühungen um ihren Schutz international bekannt. Das hat Generationen von Menschen aus dem In- und Ausland geprägt.
Den Putzarer See jetzt tatenlos seinem Schicksal zu überlassen, hieße nicht nur, diese Tradition aufzukündigen, sondern auch sich der staatlichen Fürsorgepflicht für ein hochrangiges Schutzgebiet zu entziehen. Wir sehen uns daher veranlasst, die Politik wie auch eine breite Öffentlichkeit für die Rettung des Putzarer Sees zu sensibilisieren. Von den zuständigen Behörden wünschen wir uns eine konstruktive Haltung und bieten jede unseren Möglichkeiten entsprechende Form der Zusammenarbeit und Unterstützung an, um den Fortbestand dieses hochrangigen Schutzgebietes zu gewährleisten.
Zur Begründung unserer Positionen verweisen wir auf weitere Quellen, die unter www.ostseelandschaft-vorpommern.de abrufbar sind.
Im Namen der Teilnehmer des Positionstages sowie der beteiligten Verbände und Vereine
Ostseelandschaft Vorpommern e.V.
Ornithologische Arbeitsgemeinschaft M-V
Gesellschaft für Naturschutz und Landschaftsökologie Kratzeburg e. V.
BUND, LV Mecklenburg-Vorpommern
NABU M-V, AG Geobotanik